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Geschichten von St. Nikolaus
Ich habe ja schon einiges mitgemacht, aber so etwas, ich bitte Sie: Die Wirbelsäule freilegen und dann mit einem Stahlkorsett versteifen. Ganz harmlos nennen Sie das: „Dach abdecken und die barocke Dachkonstruktion verstärken“. Natürlich ist meine Wirbelsäule nicht mehr taufrisch, schließlich bin ich ein altehrwürdiges Gotteshaus, stehe seit mehr als 550 Jahren nun schon hier an diesem herausgehobenen Platz im Dorf, immer die Nase im Wind. Da holt man sich schon mal das eine oder andere Zipperlein. Schwere Operationen habe ich auch einige überstanden, doch was mir jetzt noch alles bevorsteht, davor graust es mir mächtig. Nachdem ich sechs Jahre mit einem Stahlgerüst im Inneren dastand, war ich seit dem Jahr 2014 zu rein gar nichts mehr nutze. Zugesperrt haben sie mich aus Angst, dass ich auf meine lieben Gläubigen herunterbröckle, oder schlimmer noch, direkt über ihnen zusammenbreche. Dabei bin ich eine doch wahrlich imposante Erscheinung, immerhin die zweitgrößte Kirche im Landkreis Dachau, das machen Sie mir erstmal nach. Mein Langhaus wurde 1874 gewaltig vergrößert und so etwas hinterlässt seine Spuren. Doch ich greife vor:

15. - 17. Jahrhundert

Wie schön waren die Zeiten, als ich noch ein junges, wohlproportioniertes, gotisches Kirchlein war, von feiner Lebensart mit hochherrschaftlichen Patronatsherren, die sich um mich kümmerten und auch das eine oder andere Scherflein zu Bau und Unterhalt beisteuerten. Wenn ich so an mir herunterschaue, ist hier und da noch einiges davon zu sehen. Das war, wie bereits gesagt, so etwa in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Ich hatte zwar schon eine Vorgängerin, aber unter uns, wie lange hält eine Kirche, die um 900 zum ersten Mal erwähnt wurde. Das waren wilde Zeiten damals. Ungarische Reitervölker, die Magyaren, überfielen immer wieder unser Land bis König Otto I. ihnen zeigte, was eine Harke ist.

Um 1680 wurde ich ganz modern gemacht, barockisiert. Die Unbilden des 30jährigen Kriegs waren überstanden. Finanzielle Mittel standen wieder zur Verfügung und mein Patronatsherr Franz Albrecht Freiherr von und zu Haimhausen (1659-1687) wollte auch eine Kirche haben, mit der er zeigen konnte, dass er auf der Höhe der Zeit ist. Stuckreste von ca. 1680 hinter dem Hochaltarretabel haben die Zeit überstanden. Alles andere ging schon bald verloren, denn mein neuer Patronatsherr, Franz Ferdinand Reichsgraf von und zu Haimhausen (1687-1724) wollte eine größere und repräsentativere Pfarrkirche haben. Mein Gemäuer war aber schon so in die Jahre gekommen, dass mein Kirchenschiff neu gebaut werden musste - länger und breiter. Auch ist mein Turm erhöht und mit einer Turmzwiebel versehen worden. Nun war ich eine Kirche, eines Reichsgrafen würdig. Leider habe ich vergessen, kein Wunder bei meinem Altar, wie mein Inneres ausgesehen hat. Erinnerungshilfen (Dokumente) verbrannten 1799 im Pfarrhof.

18. Jahrhundert

Meine Schlossherrschaft war zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt ihrer Macht und ihres Einflusses. Reichsgraf Karl Ferdinand Maria (1724-1775) ließ das Schloss mit Schlosskapelle von Francois de Cuvillier im Stil des Rokoko umbauen und das Bründl errichten.
Sein Bruder Reichsgraf Sigmund (1775-1793) gründete die Nymphenburger Porzellanmanufaktur, war Bergwerksdirektor in Bayern und Gründungsmitglied der jetzigen Akademie der Wissenschaften und deren erster Präsident.
So gehörte es sich auch, dass ich, seine Pfarrkirche einen repräsentativen Haupteingang erhält. Wieder wurde an mir rumgemacht. Die beiden Eingangstüren um ein Joch (Fenster) nach Westen verlegt, damit der toskanische Portikus angebaut werden konnte. Eine beeindruckende Ansicht von der Hauptstraße herauf, da auch der Kirchhügel damals flacher gewesen ist. 2021 hat man beim Neupflastern einen geziegelten Weg gefunden, ca. 40 cm unter dem jetzigen Niveau.
Quirin Weber, der einzige Dachauer Orgelbauer durfte dann in den dreißiger Jahren für mich eine Orgel bauen. Leider nicht so groß wie die Orgel in der neugebauten Schlosskapelle. 
Anfang August 1799 musste ich zusehen, wie Pfarrhof und Ökonomiegebäude mir gegenüber brannten. Ich hatte schon Angst, durch Funkenflug selbst Schaden zu erleiden. Gott sei Dank passierte mir nichts.

19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert machte ich gewaltige Veränderungen durch. Ein neues Dach (1830/31) schützte mich vor eindringender Nässe.
Mein Inneres musste ich aufgraben lassen, damit eine Gruft für die Schlossherrschaft geschaffen werden konnte. Dazu erteilte am 23. März 1841 der bayerische König die Erlaubnis, wenn die hygienischen Vorschriften (eigene Be- und Entlüftung) eingehalten werden. Von den 24 Grabnischen sind 16 durch Mitglieder der Familie Butler-Haimhausen belegt. Mit Victorine von Butler-Haimhausen (1810-1902), Gründerin u.a. des heutigen Franziskuswerkes Schönbrunn beherberge ich eine bedeutende Frau.
Neben dem Pfarrhof war ich das erste Gebäude in Haimhausen, das 1911 elektrischen Strom erhielt. Gleichzeitig erfolgte die Renovierung meiner Gruft u.a. mit dem Einbau von zwei elektrischen Lampen.
Der Zugang in der Kirche wurde 1938 geschlossen. Die Gruft wurde 2004 „wiederentdeckt“ als das Taufbecken versetzt werden sollte. Die Gruft wird in unregelmäßigen Abständen geöffnet.

20. Jahrhundert

Die Kirche wurde innen neobarock ausgemalt.

21. Jahrhundert